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Cheftrainer und sportlicher Leiter Goran Cvetković im Interview

Ein Drittel der Hauptrunde ist absolviert, nun stehen parallel zur Meisterschaft die Einstiege in die beiden K.O.-Wettbewerbe auf dem Programm. Höchste Zeit also, unseren Cheftrainer und sportlichen Leiter Goran Cvetković zum Interview zu bitten.

Einblicke in den Entwicklungsprozess, Einschätzungen zum bisherigen Saisonverlauf sowie der Zukunft – das alles und noch viel mehr – von und mit Goran Cvetković:

Goran, welchen Stellenwert haben Europacup-Teilnahmen für Pfadi Winterthur Handball?

Goran Cvetković:
«Einen hohen und grossen. Wir sind ein konstanter Teilnehmer und Vertreter des Schweizer Handballs auf der europäischen Bühne. Wir wollen auf die tolle Kampagne des letzten Jahres in der EHF European League unbedingt aufbauen. Damals hatten wir bis zuletzt die Chance, von der Gruppenphase in die Hauptrunde einzuziehen und damit europäisch zu überwintern. Wir verfolgen auch eine Kategorie darunter nichts weniger als so weit wie möglich zu kommen.»

Was bedeutet es fürs Team und dessen Entwicklung, in dieser Phase nun den Europacup aufnehmen zu dürfen?

«Wir hatten das ab Vorbereitungsbeginn im Hinterkopf – deshalb passt es in die Phase und den Plan. Die Aufnahme des Wettbewerbs lanciert die entscheidende Phase bis Weihnachten. Sie startet nun bereits im Oktober. Innert kurzer Zeit gleich auch noch im Mobiliar Handball Cup. Wir freuen uns darauf.»

Charakterlich sind es andere Spiele als die bisherigen. Was bedeutet dies zum jetzigen Zeitpunkt für den Prozess? Und vorgegriffen auch bereits hinsichtlich der Playoffs im Frühling 2025 dann?

«Ich differenziere da etwas. Wir bauen etwas auf. Ein Team, das hoffentlich lange zusammenbleibt und zudem möglichst rasch konkurrenzfähig ist. Vorab national und dann international. Somit ist der Charakter der Spiele zwar anders, im «Big Picture» aber nichts anderes als weitere Ernstkämpfe als Schritte unseres Weges. Der Aufbau erfolgt Spiel für Spiel, die Aufgabe ist unabhängig davon, ob es sich um ein Punkt- oder Entscheidungsspiel handelt, mit jedem Anpfiff die gleiche. Kurzfristig reduzieren wir unsere Planung auf das jeweils nächste Spiel. Dass wir bereits jetzt damit konfrontiert sind, erachten wir als Privileg.»

Eine komplette Runde in der Meisterschaft ist gespielt. Wie fällt dein erstes Fazit aus bzw. welche Erkenntnisse hast du gewonnen?

«Das erste Drittel hat bestätigt, was wir erwartet haben. Dass sich die Kadetten Schaffhausen oben absetzen und dass sich dahinter eine ausgeglichene Gruppe bildet, die um die Ränge 2 bis 6 bzw. gar Rang 8 duellieren. Mit der Niederlage gegen den RTV Basel haben wir die ersten acht soliden Auftritte leider etwas relativiert. Realistisch sind wir damit punktetechnisch zwei Punkte hinter dem Erwartbaren. Eine Lehrstunde, die wichtig ist, denn sie nährt unser Bewusstsein, dass unsere Marge in punkto Erfahrung klein ist. Sie ist als Teil um Spiele zu gewinnen mitentscheidend. Das hat uns das Duo Spende/Babic aufgezeigt. Wir können sowohl gegen nominell stärkere Gegner gewinnen als auch gegen nominell schwächere Gegner Punkte verlieren. Die Erkenntnis, bewusster damit umzugehen, was es zu verteidigen gilt sowie was wir gewinnen wollen, ist die wichtigste.»

Wo steht das Team im Prozess?

«Auf die Teamentwicklung bezogen formen sich Klarheiten im taktischen Bereich sowie den Spielsystemen. Da sind wir seit Sommer weit gekommen und können bereits in zwei bis drei Abwehrsystemen spielen und alle zur Verfügung stehenden Rückraumspieler in unterschiedlichen Phasen mit verschiedenen Verantwortungen einsetzen. Das gibt Sicherheit. Kritisch sind nach wie vor die Position im rechten Rückraum sowie jene des zweiten Kreisläufers. Die erste Phase liegt hinter uns und eine solide Basis ist aufgebaut. Wir dürfen nicht vergessen, dass vom aktuellen Kader einzig Tim Rellstab auch in der letzten Saison ein Stammspieler von uns war. Die Flügel beidseits, der Kreis und die Torhüter komplett – sowie die Mitte teilweise – sind neu besetzt. Heisst unsere Startformation ist quasi komplett neu, da ist es nicht schlecht, was bei uns schon alles funktioniert. Denn kein Kontrahent hatte dies in einem annährend ähnlichen Ausmass so zu verkraften.»

Welche nächsten Schritte stehen an?

«Die Konsolidierung des Spiels mit sowie ohne Ball. Wir haben bereits viele Spiele mit Turbohandball gesehen, was sicher sehr attraktiv war. Jedoch haben wir zuletzt gesehen, dass wenn uns der Gegner das Tempospiel mit langen Angriffen wegnimmt, unser Angriff ins Stottern gerät. Dann reduziert sich unsere Anzahl Tore markant. Darauf gilt es Antworten zu finden, um diese Interpretationen des Gegners zu unseren Gunsten drehen zu können.»

Intensität und Rhythmus an Spielen steigern sich nun traditionell. Wie wirkt sich dies auf den Trainingsbetrieb aus?

«Wir haben seit Sommer die Trainingsgestaltung ohnehin angepasst. Die Mannschaft hat darauf positiv reagiert. Nun da sich die Anzahl an Spielen steigert, verlagert sich der Fokus mehr auf die Videoanalyse, die Regeneration sowie die taktische Vorbereitung.»

Spürt ihr den Zuspruch des Umfeldes, wie äussert er sich und wie wichtig ist er?

«Wir merken und spüren enorm, dass unser Umfeld dem Team Geduld und Zeit entgegenbringt, sich zu formieren und zu etablieren sowie sich bereit dafür zu machen, die Spitze wieder anzugreifen. Sei das in Gesprächen oder der Kommunikation auf allen Kanälen. Dafür sind wir dankbar und erachten es als nicht selbstverständlich, weil wir immer noch Pfadi Winterthur sind und als solches angesehen werden. Auf Stufe NLA haben die meisten unserer Spieler weniger als eine – max. zwei Saisons Erfahrung. Erfahrung lässt sich nicht ersetzen, jedoch sammeln. Das tun wir und lernen täglich. Da spielt die Geduld des Umfeldes hinsichtlich einer Zuversicht eine grosse Rolle. Wir nehmen wahr, dass unser Weg anerkannt, unterstützt und als attraktiv betrachtet wird. In gewissen Spielen konnten wir dies bereits mit starken Auftritten zurückgeben.»

Bis zum Jahresende: wo stehen wir bis dahin im Optimalfall?

«Der Best-Case wäre sicherlich – und daran orientieren wir uns, bzw. darauf arbeiten wir hin – in den K.O.-Wettbewerben zu überwintern sowie uns einen Platz in den Top4 der QHL-Hauptrunde realistisch zu machen. Wie gesagt, ist alles so eng, dass es sich von Runde zu Runde ändern kann. Es hilft aber sicherlich, sich vor dem letzten Hauptrunden-Drittel oben einzufinden.»

Wie ist eigentlich unser nächster Gegner RK Sloboda Tuzla einzuschätzen?

«Was ich bisher gesehen habe, handelt es sich um ein ähnlich junges sowie hungriges Team wie wir es sind. Die Spielweise ist auch eher auf das Tempo ausgelegt als vielleicht auf Erfahrung inklusive taktischer Schachzüge. Wir gelten sicher als Favorit. Aber bei zwei Spielen in fremder Halle gilt es auch diese Umstände zu berücksichtigen. Darauf gilt es sich vorzubereiten, weil es sich für sie um zwei Heimspiele handelt.»

Was waren aus sportlicher Sicht die Überlegungen, beide Spiele innert 24h auswärts auszutragen?

«Es mag unüblich erscheinen, jedoch ähnelt es einem internationalen Turnier, an dem du täglich in einem Spiel gefordert bist. Da haben wir einige junge Spieler im Kader, die dies erst gerade im Sommer so erlebt haben mit den U-Nationalmannschaften. In dieser «Bubble», in welcher wir konzentriert nichts anderes als den Handball leben, kreieren wir eine sportlich «geile» Herausforderung, um uns selbst zu beweisen, zwei Mal innert kürzester Zeit liefern zu können. Auswärts vor einem fremden Publikum sich zu beweisen und durchzusetzen, kreiert meistens die schönsten Erinnerungen einer Karriere. Alles in allem ist es sportlich eine bewusst getroffene Entscheidung.»

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Bilder: Martin Deuring | www.deuring-photography.com